Dr. Peter Schütt, Kunsthistoriker
Ausstellung „Die Schönheit liegt in den Augen des Betrachters“ am 26. April 2015, Pashmin Art Gallery, Hamburg
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Olga Stens, die in Moldawien geboren und aufgewachsen ist, in Leningrad studiert hat und 1997 nach Deutschland übergesiedelt ist, blickt auf einen ganz anderen künstlerischen Werdegang zurück. Als sie ausgebildet wurde, galt in ihrer Heimat noch die Doktrin des sozialistischen Realismus. Um die hässliche Realität schöner erscheinen zu lassen, als sie war, wurde alles schön gefärbt und schön gemalt.
Der raue Alltag wurde von den Malern einer Verschönerungskur unterworfen. Entsprechend verlogen sahen ihre Werke aus. Die Betrachter reagierten verstimmt und wollten nach den Zusammenbruch der Diktaturen am liebsten alle Schönheit aus der Kunst verbannen.
Umso bemerkenswerter ist, dass Olga Stens sich von all diesen Umwälzungen unbeeindruckt und unbeeinflusst zeigt und zwischen Ost und West, zwischen Realismus und Surrealismus ihren eigenen künstlerischen Weg gesucht hat. Sie wendet sich einem in der postmodernen Kunst sträflich vernachlässigten Metier zu, der Landschaftsmalerei.
Sie ist in dieser Sammelausstellung mit drei leuchtend gelb blühenden Rapsfeldern und zwei blüten-weißen Flachswiesen vertreten. Sie zeigt tatsächlich blühende Landschaften, aber die Natur steht nicht für sich, sondern wird in Beziehung zum Menschen gesetzt. Im Hintergrund zeichnet sich die Silhouette eines Dorfes oder einer kleinen Stadt ab. Eine Straße durchschneidet die Felder. Es geht Olga Stens nicht um heile Welt oder um den schönen Schein. Sie macht mit ihren klaren und hellen Bildern auf ein Versäumnis der aktuellen Kunstszene aufmerksam.
Während zumindest in der kritischen Öffentlichkeit kaum ein anderes Thema mehr diskutiert wird als die Verschmutzung, Vergiftung und Zerstörung unserer natürlichen Umwelt, nehmen Malerei und bildende Kunst an diesen ökologischen Bewegungen kaum Anteil. Sie arbeiten im Atelier, nicht in der freien Natur. Die Landschaftsdarstellung wird allenfalls den Fotografen und den Naturfilmern überlassen. Das muss, das wird sich ändern, und wohl möglich wird man Künstler wie Olga Stens einmal als Pioniere feiern, als Pioniere einer Wiederentdeckung der Natur – wie vor 125 Jahren die großen Meister des Impressionismus. Sie sind die erklärten Vorbilder der Malerin.
Ein Gleiches gilt für ihre Aktbilder. Ihre großformatigen Frauenakte, „Bei Vollmond“ und „Verliebt in das Meer“, sind frei von jedem Voyeurismus, sie sind keine Männerträume, somdern Zeugnisse einer spezifischen weiblichen Ästhetik und eines weiblichen Selbstbewusstseins. Die herbe, eher unterkühlte Schönheit liegt auch in diesen Fällen im Auge des oder der Betrachtenden.
Olga Stens malt mit dem Pinsel und gelegentlich dem Spachtel, sie benutzt Wasser-, Acryl- und Ölfarben.
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